© Michael Maxein

Anja Piel zum Artensterben

Sehr geehrte Damen und Herren!
Genau jetzt, während ich diese Rede halte, stirbt irgendwo auf diesem Planeten eine Tierart. Das sagt der Bericht der Vereinten Nationen zum Artensterben. Eine Million Arten weltweit sind vom Aussterben bedroht. Weltweit – das heißt: nicht nur da draußen irgendwo im Regenwald, sondern auch hier bei uns in Niedersachsen.Der UN-Bericht ist vieles. Erschreckend ist er nicht. Zum Schreck gehört Überraschung. Wir wissen schon lange, dass die Artenvielfalt rapide abnimmt. Wir wissen auch schon lange, dass es immer weniger Insekten gibt. Und wir kennen auch die Ursachen – gerade wir in Niedersachsen! Flächenverbrauch, Pestizideinsatz, Überfischung, Jagd und der Klimawandel.

All das ist lange bekannt. Aber Bundesumweltministerin Svenja Schulze nennt den Bericht einen „Weckruf“. Mal im Ernst: Wie lange schläft denn die Bundesregierung schon? Und wie steht es um den Schlaf der Landesregierung?

Von Frau Otte-Kinast kein Wort zu dem UN-Bericht!
Und Olaf Lies? Für den war zuletzt der Dürresommer 2018 ein „Weckruf“.

Während Klimawandel und Artensterben das Leben auf diesem Planeten immer schwerer machen, halten die Grokos in Berlin und Hannover ein ausgedehntes Nickerchen. Und wenn dann mal der Wecker klingelt?

Immer dasselbe Ritual: Bei Klimawandel oder Artensterben schrecken alle einmal kurz auf und sind sich einig: „Das ist ein Weckruf. Es muss was passieren.“ Und genauso verlässlich passiert dann am Ende gar nichts.

Aber mal ehrlich, wie oft hat der Wecker schon geklingelt? Und wie oft haben Sie die Schlummertaste gedrückt? Stehen Sie endlich auf!

Frau Otte-Kinast, Herr Lies,
wenn wir die Wissenschaft ernst nehmen, dann sind Klimawandel und Artensterben unsere zwei wichtigsten Probleme. Wenn wir die nicht in den Griff kriegen, dann brauchen wir uns irgendwann auch nicht mehr um Wirtschaftsförderung, Sozialpolitik oder Schulpolitik zu sorgen.

Niedersachsen ist das größte Agrarland Deutschlands. Hier werden Getreide, Obst und Fleisch für den Weltmarkt produziert. Daran hängt die Existenz vieler Landwirte mit ihren Familien. Wenn das Insektensterben hier so weitergeht, drohen uns Ernteausfälle in Milliardenhöhe. Die Landwirte sind am Ende die Verlierer der Arbeitsverweigerung in den Grokos im Bund und in den Ländern.

Lieber Herr Lies,
ein paar Naturschutzgebiete allein werden nicht helfen. Sind auch wichtig. Aber das reicht nicht!

Wildbienen rettet man nicht mit Reservaten, die brauchen eine Lebensgrundlage – dort, wo Pflanzen bestäubt werden! Also überall!

Also, Frau Otte-Kinast, wann sorgen Sie endlich dafür, dass die Landwirtschaft sich wieder an Ressourcen orientiert?

Wann stoppen Sie die Überdüngung von Böden?
Wann kümmern sie sich um sauberes Grundwasser?
Was investieren Sie in Wasser und Naturschutz, um Strafzahlungen an die EU wegen zu hoher Nitrat-Werte zu vermeiden?
Wann und wie fördern Sie endlich angemessen den Öko-Landbau?
Eine andere, verträglichere Landwirtschaft ist möglich, und sie ist auch wirtschaftlich.

Herr Lies, wann sorgen Sie dafür, dass die niedersächsische Bauordnung eingehalten wird?
Schottergärten sind tote Gärten. Öffentliche Grünflächen müssen und können dagegen insektenfreundlich gestaltet werden!
Sie haben es in der Hand: Setzen Sie das bayrische Volksbegehren zum Schutz der Bienen um, noch bevor es ein niedersächsisches gibt.
Und geben Sie sich einen Ruck in dieser großen Koalition: Schützen Sie endlich Grünland und Weidewirtschaft und weiten Gewässerrandstreifen auf die erforderlichen 5 Meter aus.

Und, Frau Otte-Kinast, erinnern Sie Ihre Parteikollegin, Landwirtschaftsministerin Klöckner, an ihren ganz persönlichen Weckruf. Frau Klöckner hat gesagt: Bienen sind „systemrelevant“ – „Was für sie schädlich ist, muss weg vom Markt.“
Ja, genau. Das gilt dann aber auch für Frau Klöckner. Sie könnte Glyphosat und andere Insektengifte vom Markt nehmen. In Wirklichkeit bricht sie nur EU-Recht.

Am 26. Mai ist Europawahl. Eine Schicksalswahl für Wildbienen. Denn nach der Wahl soll die Agrarförderung neu geregelt werden. Nutzen Sie die Chance, endlich aufzustehen.
Es ist an der Zeit, mit Subventionen politisch Zukunft zu gestalten.
Es ist an der Zeit, Schluss zu machen mit pauschalen Flächenprämien.
Es ist Zeit für eine naturverträgliche Landwirtschaft zum Nutzen aller Menschen.
Es ist an der Zeit, die Wildbienen wirksam zu schützen.

Das Haus brennt.
Lassen Sie uns aufstehen und gemeinsam ans Löschen gehen. Auf uns Grüne können Sie sich dabei verlassen!

– Es gilt das gesprochene Wort –

Rede gehalten am 15.05.2019 beim Plenum des Nds. Landtages.

(Foto: Michael Maxein)

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